Saša Stanišić: Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne
Je länger man zuhört, umso deutlicher wird auch, dass die Erzählungen miteinander zusammenhängen. Zunächst sind es nur kleine Details, aber im letzten Teil des Hörbuchs werden alle Geschichten miteinander verbunden, wobei sich die erste als eine Art Rahmenerzählung herausstellt. Dieses Finale spielt mit verschiedenen Erzählebenen und kann ein wenig kompliziert wirken, aber man muss nicht alle Details nachvollziehen, um von der Zusammenführung der Erzählstränge gepackt zu werden. Überall geht es letztlich um die anderen Möglichkeiten, die alternativen Lebensentscheidungen, wie sie Fantasie und Literatur in Erinnerung halten.
„Möchte die Witwe angesprochen werden …“ wird also verschiedene Leser- und Hörergruppen ansprechen, wenn auch nicht immer an den gleichen Stellen: Freunde der humorvollen Alltagsbeobachtung ebenso wie Science-Fiction-Fans und Literaturinteressierte. Und auch wer Erzählungen eigentlich nicht mag, könnte einen Versuch mit einem Erzählband wagen, der ein kleines bisschen dann doch ein Roman ist.
Saša Stanišić liest dieses Hörbuch selbst. Das bedeutet kleine Abstriche bei der Verständlichkeit, auch stimmliche Kennzeichnung der Figuren ist nicht seine Sache. Dafür klingt er mit seinem leichten Akzent sehr sympathisch und bringt den lockeren Plauderton und den Witz seiner Texte voll zur Geltung. Eine Erzählung spielt übrigens in Wien, wofür Stanišić mit einem gewissen Achtungserfolg das österreichische Deutsch imitiert.
Johannes Spreitzer