Maja Haderlap: Nachtfrauen

Der Geruch nach Kraut, die gewohnte Umgebung: Mira spürt ihre Kindheitserfahrungen am ganzen Leib, als sie in ihrem Elternhaus in Kärnten steht. Widerwillig und doch ihrer Mutter zuliebe kehrte sie nach Jaundorf zurück und stellt für einen Moment ihr bürgerliches Leben in Wien hinten an. Anni musste ins Altenheim und mit dieser Veränderung war es unumgänglich für Mira, sich mit ihrer Vergangenheit und den traumatischen Ereignissen ihrer Kindheit auseinanderzusetzen.
Bei ihrem Aufenthalt in ihrem slowenisch sprechenden Heimatdorf, wird sie sich mehr und mehr der Tragweite ihrer generationenübergreifenden Geschichte bewusst. Die Vielschichtigkeit und Verworrenheit von tief einschneidenden Ereignissen finden ihren Weg in das Bewusstsein. Der Tod des Vaters oder die Ermordung der Großeltern zur Zeit des Nationalsozialismus haben ihre Spuren hinterlassen. Ein mutiger Prozess wird durch die Begegnung losgetreten, der ohne Schmerz nicht möglich ist und doch Heilung verspricht und den Zusammenhalt der Familie nicht vergehen lässt.
Die Wahl der Sprecherinnen entpuppt sich als gelungene Auswahl. Der subjektiv wahrgenommene Hauch an Schwere und Traurigkeit beim Erzählen verleiht dem Hörbuch einen passenden Rahmen und ermöglicht es, die Geschichte mit allen Sinnen zu spüren, ohne dabei die Kraft der Liebe aus den Augen zu verlieren. Die Sprechgeschwindigkeit ist angenehm und detaillierte Umschreibungen einzelner Szenarien im Hörbuch machen es einfach, sich direkt hineinzuversetzen.
Edith Steinwidder