D. Schek, C. Schenk: Der undogmatische Hund
Wegen der Doppelgleisigkeit des Unterfangens dauert letztere fast acht Stunden. Geboten wird nämlich nicht nur eine anekdotische Biographie von Hund und Herrchen samt Enzyklopädischem zur Gattung canis lupus (familiaris), Anmerkungen zu zeitgenössischer Literatur sowie allerlei gesellschafts- und kulturkritische Beobachtungen, sondern auch noch ein „canider Kanon“ mit elf Empfehlungen zu hundebezogener Belletristik.
Darin ergreift Stubbs in alter Fabelmanier selbst das Wort, lässt sich u.a. über die „megalomanen Sperenzkes“ Thomas Manns und seine Erzählung Herr und Hund (1919) aus, bewundert Charles M. Schulz‘ Snoopy als „abgeklärten Schlaumeier in einer Welt voller Klotzköppe“, oder resümiert The friend von Sigrid Nunez (2018) metaphernreich: „Stell dir vor, dein bester Kumpel geht über die Wupper und hinterlässt dir nen Mordseumel von Dogge, die kranke achtzig Kilo auffe Waage bringt, und dat onnoch mit ohne Halsband“.
Stubbs Kanon im Ruhrpottslang ist durchaus unterhaltsam, während der biografische Hauptteil recht mühsam daherkommt. So dauert es ganze 40 Minuten (Track 4-12), bis klar wird, warum überhaupt ein Hund angeschafft werden musste. Dieses Zögern wird dafür professoral begründet: […] „als fehlte in unserem molekularen Set-up das zum Aufbau von Bindungen entscheidende Valenzelektron“. Ironie mag ja erlaubt sein, nicht jedoch Halbgelehrtheit: Als Ein(!)silbler ist Stubbs „definitiv [kein!] Stoff für ein linguistisches Seminar“ über die Bedeutungsvielfalt variabler Betonung; auch lautet die Todsünde ‚Geiz‘ auf Latein nicht avaratia, wie Buchseite 244 sowie Track 92 in der Hörfassung vorgeben, sondern avaritia.
Dennoch ist das Hörbuch der Leseversion entschieden vorzuziehen: Frank Arnold, aus zahlreichen Hörspielen und Dokumentarfilmen sowie als „TV-Kulturonkel“ bekannt, entschärft nämlich die Mühsal manch kulturkritisch-weltanschaulichen Ausflugs durch seinen gleichermaßen entspannten wie makellosen Vortrag; in schnauzbärtig unterhaltsamem Kontrast dazu Dietmar Bär, einmal nicht als Kölner Tatortkommissar Freddy Schenk, sondern als belesener Hund Stubbs.
Hugo Kubarth (Graz)